Was hast du in Malawi gemacht?
Ich habe mich im Mädcheninternat und im Dorfkrankenhaus engagiert.
Mit welcher Motivation bist du damals weltwärts gegangen?
Ich wollte nach dem Abitur ein Jahr lang etwas anderes machen. Ich wollte Erfahrungen sammeln, ein anderes Land kennen lernen, in die Kultur eintauchen, in Austausch mit den Menschen im Gastland treten und dabei auch versuchen, durch meine Mitarbeit etwas Gutes zu tun.
Und was denkst du heute darüber?
Ich denke, dass mich das Jahr geprägt hat und ich bin froh, dass ich damals diesen Schritt gegangen bin. Ich habe viele Erfahrungen gesammelt, die ich in Deutschland nicht hätte machen können, habe Freundschaften geschlossen mit Menschen, denen ich sonst niemals begegnet wäre und ich habe mich selber weiter entwickelt. Ich habe dort nicht die Welt verändert, aber das wollte ich auch nicht. Ich habe durch meine Anwesenheit und Mitarbeit den Menschen meine Zeit geschenkt und ihren Horizont ein bisschen erweitert, genauso wie sie meinen erweitert haben. Es war ein gegenseitiges Geben und Nehmen.
Engagierst du dich nach deiner Rückkehr (weiter) im entwicklungspolitischen Bereich?
Ich finde diese Frage ist schwierig zu beantworten. Was zählt als entwicklungspolitisches Engagement? Muss man in einer Organisation Mitglied sein um entwicklungspolitisch aktiv zu sein? Ich bin jedenfalls in keiner Gruppe. Ich unterstütze hier und da Projekte, die mir am Herzen liegen oder von denen ich überzeugt bin. Und ich versuche meine Erfahrungen aus meiner Zeit in Malawi mit den Menschen in Deutschland zu teilen, sie auf Dinge aufmerksam zu machen und dadurch die Eine Welt ein Stück weit mehr zusammen wachsen zu lassen.
Seit meiner Rückkehr engagiere ich mich mit Freude für das Missionarin auf Zeit-Programm (MaZ-Programm) bei den Franziskanerinnen Salzkotten. Ich möchte, dass auch andere junge Erwachsene, genauso wie ich vor acht Jahren die Möglichkeit haben, diesen ganz besonderen Freiwilligendienst zu leisten und viele tolle Erfahrungen zu sammeln. Ich habe bereits einige Vorträge über mein Jahr in Malawi und das Projekt in Ludzi gehalten und bin seit 2011 Redakteurin des Freundeskreisbriefes. Der Freundeskreis ist eine ganz tolle Initiative der Franziskanerinnen Salzkotten, um das MaZ-Programm und die Projekte in den Einsatzländern zu unterstützen und ich freue mich, dass ich einen Beitrag leisten kann und den vielen UnterstützerInnen halbjährlich einen Bericht über die Projekte, die Freiwilligen und andere Neuigkeiten rund um MaZ bei den Franziskanerinnen Salzkotten erstatten kann.
Auf welche Weise hat dich dein Freiwilligendienst geprägt?
Das Jahr in Malawi hat mir zum einen in der Studienwahl weitergeholfen, aber viel mehr noch hat es mir ermöglicht, über den Tellerrand hinaus zu schauen. Malawi, ein kleiner Teil Afrikas, ist mir nicht mehr fremd, obwohl es so weit weg ist. Ich habe gelernt manches mit mehr Gelassenheit hinzunehmen und Dinge auf mich zukommen zu lassen. Es ist nicht möglich alles durchzuplanen und durchzustrukturieren.
Außerdem habe ich einmal mehr gelernt, dankbar und zufrieden zu sein. Ich bin dankbar für das Leben, was mir geschenkt wurde; mit allem was dazu gehört. Ich habe eine Familie, eine schulische und universitäre Ausbildung und gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Ich brauche mir keine Gedanken zu machen, was ich nächstes Jahr esse, wenn die Ernte dieses Jahr schlecht ausfällt und ich brauche in Deutschland als Frau deutlich weniger um Anerkennung und Gleichberechtigung kämpfen, als es wohl in vielen Ländern der Welt noch notwendig ist.
Welches Erlebnis wird dir nie aus dem Kopf gehen?
Ein Erlebnis, das mir nie mehr aus dem Kopf gehen wird, ist viel mehr noch ein Gefühl. Das Gefühl, wenn ich nach einem Wochenende, das ich außerhalb meines Dorfes verbracht habe oder nach einem Urlaub wieder nach Hause gekommen bin. Die letzten sieben Kilometer musste ich ein Kabasa (Fahrradtaxi) nutzen. Es ist kein Fortbewegungsmittel der reichen Touristen, die würden eher ein Taxi bestellen; Kabasas werden vor allem von den Malawiern genutzt um weitere Stecken zu überwinden. Auf dem Gepäckträger sitzend wurde ich, so wie die Malawier durch die kleinen Dörfer bis zu meinem malawischen Heimatdorf gefahren. Auf dem Weg kamen viele Kinder ein Stück hinter uns her gelaufen und riefen auf eine sehr fröhliche Art »Azungu, bo?« (»Weißer, wie geht's?«) Es war eine ehrliche, freudige Begrüßung und überhaupt nicht so abfällig gemeint, wie es an den Touristenstränden am Malawisee leider immer wieder gerade von malawischen Männern genutzt wird. In meinem Dorf waren wir zu meiner Einsatzzeit nur drei Weiße. Natürlich waren wir sicherlich eine kleine Attraktion, aber viel mehr noch gehörten wir dazu und waren als Dorfbewohner und Mitarbeiter in Schule und Krankenhaus anerkannt. Die Kabasafahrt mit den Rufen der Kinder war für mich jedes mal ein besonderer Moment mit dem Gefühl verbunden, fast einer von ihnen, den Malawiern zu sein, von Freunden begrüßt zu werden und nach Hause zu kommen. Wenn ich den Kindern dann noch mit nach oben gestrecktem Daumen »Bo, bo?« (»Mir geht's gut, und dir?«) antwortete, war die große Freude auf beiden Seiten und die Kinder verschwanden mit einem Lächeln im Gesicht aus meinem Blickfeld.
Was machst du heute?
Ich habe mein Medizinstudium Ende letzten Jahres beendet. Momentan forsche ich für meine Doktorarbeit und werde Anfang 2019 als Assistenzärztin in der Unfallchirurgie/Orthopädie anfangen.
Und wenn du nicht weltwärts gegangen wärst – was würdest du wohl heute machen?
Ich weiß es nicht. Aber ich habe mich erst während meines Freiwilligendienstes für ein Medizinstudium entschieden. Die Zeit im Krankenhaus in Malawi war für mich ausschlaggebend für meine jetzige Berufswahl. Vielleicht hätte ich nicht ganz so viel Fernweh, aber das nehme ich gerne auf mich.
Alle Fotos zu diesem Beitrag von Verena Neumann.